Die Biografie des Hofhistoriografen Johann Wilhelm Christian Steiner ist der einzigen vollwertigen Biografie des Großherzogs Ludwig I. von Hessen und gilt als Hauptquelle in zahlreichen weiteren Werken über den Großherzog. Meine Einschätzung des Inhalts, der Erkenntnissen und weiterer kritischen Bewertung der Biografie schreibe ich heute auf.
Die Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit der Informationen des Buches ist stark von dem Kontext in dem der Autor geschrieben hat abhängig. Steiner war Hofhistoriograf und somit stark an den Regenten Hessen-Darmstadts gebunden und arbeitete in ihrem Interessen, was auch eine finanzielle Abhängigkeit sehr wahrscheinlich macht. Als Historiograf hat man den Anspruch wissenschaftlichen Standards der Zeit einzuhalten, oder zumindest den Schein einer wissenschaftlich fundierten Text zu produzieren. Man bekommt auch in der Einleitung den Eindruck, dass der Autor an den wissenschaftlichen Standards vor allem der Objektivität halten will.
Beim Lesen des Texts, aber wird schnell auffällig, dass der Autor mit Lob für den verstorbenen Herrscher sehr großzügig ist. Kritische Behandlungen von historische Prozesse und Handlungen des Regenten sucht man vergeblich.
Der Schein der wissenschaftliche Objektivität bewährt der Autor, in dem er in seinem Werk über die Reformen der Regierung Ludwigs I. berichtet und diese als Quellen verwendet. Hier handelt es sich, um eine trockene Auflistung der Reformen. Die Entstehungsprozesse und Auswirkungen sind wenn überhaupt nur selten zu erkennen.
Trotzdem gibt es Erkenntnisse über den Charakter des Großherzogs im Werk zu finden. Obwohl der Titel und die Einleitung den Eindruck ermitteln, dass es hauptsächlich in diesem Werk genau darum geht, sind diese Erkenntnisse begrenzt auf zwei, vom Umfang her, eher kleinere Kapiteln.
Man fragt sich, warum diese Biografie als einzige in den letzten 200 Jahren über den Großherzog geblieben ist. Diese Tatsache lässt sich möglicherweise so erklären, dass bis und während der Kaiserzeit diese Biografie die Anforderungen an Informationen über den Regenten gereicht hat. Eine kritische Betrachtung des Herrschers war durch die Regierenden nicht erwünscht und durch Zensor und weitere Unterdrückungsmöglichkeiten im Rahmen des Karlsbader Beschlüsse und während der Kaiserzeit nicht ohne weiteres möglich.
Während der Weimarer Republik reichte möglicherweise der Zeit bis zur Nazi-Regime nicht um ein solches Vorhaben zu entdecken und verwirklichen. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sehr viele Quellen durch Kriegsschaden vernichtet und die Grundlage nicht mehr vorhanden. Die Anstrengungen unter diesem Umständen erneut eine Biografie, die modernen wissenschaftlichen Standard standhält, wären sehr aufwendig, und obwohl das Thema nicht uninteressant ist, ist es für viele Historiker nicht wertvoll genug, um den Aufwand zu rechtfertigen.
Trotze den Schwächen und den unzureichenden wissenschaftlichen Objektivität kann man mit den Informationen aus Steiners Biografie arbeiten. Man soll allerdings mit den Interpretationen des Autors vorsichtig umgehen und kritisch überlegen wie viel Wahrheit darin steckt.
Grunddaten wie Geburt, Heirat usw. sind unbedenklich aber auch Darstellung über Ludwigs I. Charakter und seiner Regierungsstil können für Erkenntnisse zu seiner Person nützlich sein. Die kritische Auswertung des Textinhalts ist hier stark zu empfehlen, um einen möglichst vorurteilsfreie Interpretation zu gewährleisen. Hierbei ist es notwendig die Aussagen aus dem Perspektive des Autors kritisch zu hinterfragen, um Rückschlüsse über ihr Wahrheitsgehalt zu gewinnen aber auch Informationen, die mit aber auch ohne Absicht weggelassen wurden, aufzudecken.
Methoden dazu gibt es. Es gilt diese Fähigkeiten anzueignen und sie dann bei der Auswertung des Textes zu verwenden. Die hermeneutische Methode und die historisch-kritische Methode sind Kandidaten dafür.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Steiners Biografie einen Bestandteil fast alle wissenschaftlichen Untersuchungen und weitere Werken, die sich mit dem Leben, Regierung und Handlung Ludwigs I. befassen. Es ist eine Art Ausgangsgrundlage, worauf viele Autoren sich stützen. Der Werk wird also trotz seiner intrinsische verzerrte Perspektive über den Großherzog als Grundlage verwendet. Die Art und Weise wie die Autoren mit dieser Quelle umgehen, weis auf die Qualität der Untersuchung hin.